26.09.2025
LIENZINGEN. Der „Musikalische Sommer" in der Frauenkirche in Lienzingen war auch in diesem Jahr mit vielen Glücksmomenten wieder eine Bereicherung. Am vergangenen Sonntag setzte das Trio enSemble RAiSONANT glänzende Schlusspunkte. Mit diesem spannungsgeladenen Konzert klang die Konzertreihe 2025 aus.
Ernstes und Heiteres
Nicht nur das besondere Ambiente der Frauenkirche war wieder ein Anziehungs-punkt. Auch das stets hochkarätige Niveau dieser Konzertreihe wussten wieder viele Besucher aus dem gesamten Enzkreis und weit darüber hinaus sehr zu schätzen. Geboten wurde Ernstes und Heiteres, breit gefächert durch verschiedene Epochen der Musikgeschichte. Auf den Programmen standen Werke der Klassik, der Romantik, der Moderne.
Einen Bogen vom Barock (ab1600) bis zu Igor Strawinsky (1882-1971) spannte das Ensemble der LIENZINGENAkademie. Das enSemble RAiSONANT, besetzt mit Leonard Schelb (Traversflöte und Blockflöte), Marie Deller (Violoncello und Blockflöte) und Wiebke Weidanz (Cembalo) setzte sich im Abschlusskonzert auf beeindruckende Weise mit dem Barock auseinander. Dank erstklassiger Ausbildungen sind sie heute erfolgreich - auch international - und haben den Ruf, Barockmusik authentisch aufzuarbeiten und zu interpretieren.
Zwischen Barock und Empfindsamkeit
„Affetuoso - Schattierungen zwischen Barock und Empfindsamkeit" titelte ihr Pro-gramm. Das Barock, von Italien ausgehend, entwickelte sich als neuer Stil in allen Bereichen des Daseins und machte Renaissance und Manierismus mit ihren strengen Regularien zu einem Auslaufmodel. Eine Epoche voller Glanz und Prunk begann, die sich auch in allen Bereichen der Künste niederschlug. Auch in der Musik. Dort setzten sich als Novum schnell rein instrumentale Kompositionen durch, ohne vokale Beimischung, die das neue prächtige Zeitalter tonal in Klangfarben aller Couleur zum Klingen brachten. Und dies aber nicht nur auftrumpfend wie die mächtigen Prachtbauten, beispielsweise Schloss Versailles. Sondern eben auch mit unerwarteter, liebevoller Empfindsamkeit mussten die Musiker die neue Musik umsetzen. Und genau diese Spannungen zwischen kraftvoll zupackender Musik und zart melodiösen Interpretationen lotete das Trio mit großer Spielfreude aus.
Raffiniert war der Programmablauf gestaltet. Nicht etwa chronologisch entsprechend dem Zeitverlauf, sondern wechselnd zwischen „old and new style", was ob dieser Farbigkeit zum genauen Hinhören anregte.
Erste Eindrücke vermittelt die Triosonate für Flöte, Cello und Basso-Continuo des französischen Komponisten Joseph Bodin de Boismortier (1689-1755). Prompt folgte der Kontrast mit der Trio-Sonate QV2 Anh. 3 von Johann Joachim Quantz (1697-1773) mit gleicher Besetzung. „Affetuoso" hatte er den ersten der drei Sätze überschrieben. Mit Hingabe führten die Interpreten in diese neue Klangwelt der Empfindsamkeit ein. Insgesamt hat Quantz über 300 Flötenkonzerte komponiert, war auch vielgefragter Flötist.
Blockflöten im Duett
Als Solistin am Cembalo begeisterte Wiebke Weidanz die aufmerksam lauschenden Gäste mit dem Concerto D-Dur von Antonio Vivaldi (1678-1741), in einer Bearbeitung von Johann Sebastian Bach (1685-1750). Und damit war man wieder im mächtigen Barock angekommen. Doch bei allen Gegensätzlichkeiten gab es keine störenden Brüche zwischen den Vorträgen. Das stets harmonische Aufeinanderzugehen trotz auch heftiger Taktfolgen zeitgleich auf den Pulten war rundum wohltuend.
Außer Cello studierte Deller auch Blockflöte. Nicht nur für sie, sondern auch für Schelb war der Vortrag des Duetts für zwei Blockflöten von Georg Philipp Telemann (1681-1767) eine Herausforderung, die beide aber ebenso meisterten wie sie zuvor schon den ungleich schwierigeren „Canon all'Unisono" von Christoph Graupner (1683-1760) brillant umgesetzt hatten. „Nur" etwa 150 Sonaten hat Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788), der zweitälteste Sohn von Johann Sebastian Bach, komponiert. Schelb als Solist, begleitet von Basso-Continuo, Cembalo und Cello, musste nun stilistisch wieder umdenken, denn der junge Bach war mit seiner Sonate a-moll für Flöte und Basso-Continuo bereits auf dem Weg zur sich anbahnenden nächsten Epoche, der Klassik.
Das Finale gestaltete das Trio glanzvoll mit der Sonate für Flöte, Cello piccolo und Basso-Continuo von Johann Sebastian Bach (1685-1750) – vorgetragen in der Bearbeitung von Leonard Schelb. Er begeisterte das Lienzinger Publikum bereits 2019 und wieder 2022 mit seinem äußerst feinfühligen und stilsicheren Traversflötenspiel.
Mit großer Freude dankte das Publikum mit kaum enden wollendem Beifall für diese musikalisch genussvolle Matinee.
(Vaihinger Kreiszeitung vom 26.09.20225, Text und Foto: Eva Filitz)