24.06.2024
Lienzingen. Noch keine zwanzig Jahre sind sie alt – die Geigerin Marie Helling (Jahrgang 2005), die Cellistin Anna Meipariani (Jahrgang 2007) und die Pianistin Anna Ulmschneider (Jahrgang 2006) – und geben doch Anlass zu den höchsten Erwartungen, was ihre weitere künstlerische Entwicklung betrifft: Das könnten die Stars von morgen sein!
Peter Wallinger, Initiator des Musikalischen Sommers, ist bekannt für beste Verbindungen zu Musikhochschulen und Musikwettbewerben. Es war eine ausgezeichnete Idee, die drei hochbegabten Musikerinnen in die gotische Liebfrauenkirche nach Lienzingen einzuladen, damit sie dort Kostproben ihrer weit arrivierten Kunst geben. Alle drei haben im In- und Ausland bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten, sind Stipendiatinnen und auf dem besten Weg zu einer erfolgreichen künstlerischen Laufbahn. Die angekündigte junge Pianistin Claudia Mandel musste leider kurzfristig absagen. An ihrer Stelle spielte Ilonka Heilingloh, die unter anderem als Korrepetitorin an der Stuttgarter Musikhochschule arbeitet.
Das Konzert in der nahezu ausverkauften Marienkirche begann wirkungsvoll mit Beethovens früher Violinsonate op. 12, 3 in Es-Dur. Es wurde ein beseelter Dialog zweier musikalischer Partnerinnen auf Augenhöhe. Helling und Heilingloh entwickelten stilsicher das markige erste und lyrische zweite Thema des Sonatensatzes. In der Urfassung trägt das Werk den Titel „Sonate für Klavier und Violine“, was man so deuten darf, dass Beethoven dem Klavier dieselbe Bedeutung beimessen wollte wie der Solovioline. Marie Helling spielt auf einer herrlich farbenreichen Violine von Camillus Camilli, Mantua 1731, aus dem Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Die beiden Interpretinnen spielten den mit „con molto espressione“ überschriebenen 2. Satz mit großer Innigkeit. Dieser war ganz offensichtlich in einer glücklichen Lebensphase des später ertaubten Genies entstanden.
- Herausforderung für Talente –
Die Sonate F-Dur op. 99 von Johannes Brahms ist in mehrfacher Hinsicht ein Schwergewicht. Zum einen ist das viersätzige Werk sehr lang und spieltechnisch schwer. Zum anderen ist es eine Herausforderung für Konzentration und Konstitution der Ausführenden, den ganzen Kosmos musikalischer Ideen und deren Entwicklungen auszumessen. Der erst siebzehnjährigen Anna Meipariani und ihrer achtzehnjährigen Klavierbegleiterin Anna Ulmschneider gelang eine gestalterisch eindrucksvolle Interpretation, die den großen Bogen herausstellte, ohne sich in Verästelungen zu verirren. Besondere Würdigung verdienen der leidenschaftlich-ungestüm wiedergegebene dritte Satz „Allegro passionato“ und der rhapsodische Schlusssatz „Allegro molto“. Die Cellistin Meipariani spielt ein Instrument von Giovanni G. „ex Patti“, Mailand 1770, eine Leihgabe der Landessammlung Streichinstrumente Baden-Württemberg.
In ganz andere Klangwelten, in zerklüftete Seelenlandschaften, führte Karol Szymanowskis Sonate op. 9 in d-Moll für Violine und Klavier.
Den Abschluss des offiziellen Programms bildete Händels Passacaglia in einer brillanten Bearbeitung für Violine und Cello von Johan Halvorsen. In quasi geschwisterlicher Eintracht vollführten die Streicherinnen einen waghalsig-virtuosen Ritt auf Händels berühmtem Bass-Ostinato.
Als Zugabe spielten die beiden Pianistinnen einen „Ungarischen Tanz“ von Johannes Brahms auf dem ganz passablen, frisch gestimmten Kawai-Leihflügel des Klavierhauses Jan Seela, Neuenbürg. Beglückender kann man einen Sonntag kaum beginnen.
(Pforzheimer Zeitung vom 24.06.2024, Text und Foto: Dietmar Bastian)