Die etwas anderen Seiten der Harfe

13.07.2021

Komposition „L’Oiseau bleu“ beim Festival „Musikalischer Sommer“ uraufgeführt. (Pforzheimer Zeitung)

Peter Wallinger leitet die Borenstein-Uraufführung mit der Harfenistin Anne-Sophie Bertrand und der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in der Lienzinger Frauenkirche. Foto: Mammel 
Peter Wallinger leitet die Borenstein-Uraufführung mit der Harfenistin Anne-Sophie Bertrand und der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim in der Lienzinger Frauenkirche. Foto: Mammel

Mühlacker-Lienzingen. Mit „L’Oiseau bleu“ für Harfe und Streicher (op. 89) kommt bei Peter Wallingers Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche ein neues Werk des britisch-französisch-israelischen Komponisten Nimrod Borenstein erstmals zu Gehör. Gewidmet der Harfenistin Anne-Sophie Bertrand, sollte das höchst filigrane Stück für Soloharfe und Streichorchester ursprünglich im vergangenen Jahr in Cardiff uraufgeführt werden. Nachdem dies pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, ging die Soloharfenistin des hr-Symphonieorchesters Frankfurt mit der Idee, die Weltpremiere mit den Streichern der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim zu realisieren, auf Wallinger zu, mit dem sie eine langjährige Zusammenarbeit verbindet.

Die Vertrautheit zahlt sich aus: In der Überlagerung verschiedener Rhythmen polyrhythmisch angelegt, birgt „L’Oiseau bleu“ einige Herausforderungen für die Musiker, reiht unterschiedliche Bilder vom Walzer über Märchenhaftes bis zu dramatischen Episoden – durchaus in einem neo-impressionistischen Sinn, geht in manchem aber über seinen klassizistischen Ansatz hinaus und führt die Harfe punktuell in Bereiche jenseits des im Instrument angelegten Klangrepertoires der Akkordbrechungen, Glissandi und Triller.

Geschmeidig und elegant, zuweilen aber auch fulminant und teilweise glashart greift Bertrand in die Saiten, frappierend schließlich die nahezu akrobatische Klimax der metrisch zunehmend vertrackteren Komposition. Verdient der begeisterte Applaus des dankbaren, auf Abstand gesetzten Publikums – für die fabelhafte Solistin, das aufmerksame und präzise Orchester, und wohl auch für den nicht anwesenden Komponisten. Mit Joaquin Turinas „La Oración del Torero“ (Das Gebet des Toreros, 1925 entstanden) und Claude Debussys „Danse sacrée et Danse profane“ (1904) hat Wallinger diese Sternstunde mit einem passenden Rahmen versehen, für den der Impressionismus den roten Faden bildet. In Pablo Casals’ „El cant dels Ocells“ (Der Gesang der Vögel) ist Chihiro Saito eine wunderbare Solistin. Versöhnlich und hoffnungsfroh der Ausklang mit Edward Elgars „Serenade e-Moll“ (op. 20).

(Pforzheimer Zeitung vom 13.07.2021,  Text: Harry Schmidt, Foto: Mammel)