Vom Dunkel ins Licht

11.06.2025

Der „Musikalische Sommer 2025“ erfährt mit dem Ensemble „Eliot plus“ eine denkwürdig-brillante Eröffnung. Zu hören sind in der Lienzinger Frauenkirche Werke von Franz Schubert und Johann Nepomuk Hummel. (Mühlacker Tagblatt)

Das Eröffnungskonzert der neuen Saison des „Musikalischen Sommers“ spannt einen weiten Bogen bis zum Forellenquintett Franz Schuberts. Foto: Bastian
Das Eröffnungskonzert der neuen Saison des „Musikalischen Sommers“ spannt einen weiten Bogen bis zum Forellenquintett Franz Schuberts. Foto: Bastian

Mühlacker-Lienzingen. Der musikalische Bogen, den das Eröffnungskonzert der Reihe „Musikalischer Sommer in der Lienzinger Frauenkirche“ spannt, könnte kaum dynamischer sein. Die drei Werke der Matinee loten unterschiedliche Seelenlandschaften aus – von tiefer Melancholie bis hin zur schwerelosen Komödie. Es ist fast zu viel Emotionalität und Drama auf einmal.

Die fast ausverkaufte Veranstaltung beginnt mit Franz Schuberts Violinsonate a-moll D 385, dem Frühwerk eines 19-Jährigen, das bereits jenen unverwechselbaren melancholischen Schubert-Ton aufweist, den man von den späten Streichquartetten und Klaviersonaten her kennt. Lange spannungsvolle Bögen im liedhaften Hauptthema und ein klagendes Seitenthema kennzeichnen den Eingangssatz. Schroffe Moll-Ausbrüche im Andante, ein geradezu grobes Menuett mit ungewöhnlichen chromatischen Harmonien und ein geniales Changieren zwischen Dur und Moll im Schlusssatz bilden die wichtigsten Gedankengänge.

Bereits mit seinen frühen Violinsonaten befreit Schubert (1797 bis 1828) sich von Mozart und Beethoven und findet zu seinem ureigenen personalen Ton. Es scheint, als habe kein Komponist vor und nach ihm ein so trauriges Dur geschrieben. Die Ausführenden, die Geigerin Maryana Osipova und der Pianist Dmitry Ablogin, finden bereits in der Exposition das stilistisch passende kammermusikalische Timbre. Sie trumpfen an keiner Stelle virtuos auf, sondern suchen Dialog und silberne Transparenz. Die gleichrangigen Partner loten weite dynamische Räume aus und wissen zu jedem Zeitpunkt sehr genau, was sie tun.

Das Publikum genießt einen farbigen Tuttiklang und frische Tempi.

Johann Nepomuk Hummel (1778 bis 1837) wird historisch zumeist der Klassik beziehungsweise Beethoven-Nachfolge zugeordnet. Sein selten aufgeführtes Klavierquintett es-Moll op. 87 verweist aber unverkennbar in die Romantik. Es ist ein viersätziges ideenreiches Werk mit einem nervösem Grundcharakter. Maryana Osipova (Violine), Dmitry Hahalin (Viola), Jakob Kuchenberg (Violoncello, für den erkrankten Michael Preuss), Simon Wallinger (Kontrabass) und Dmitry Ablogin (Klavier) beschönigen in ihrer Wiedergabe nichts, sie schleifen nichts ab, sie lassen die ganze Schroffheit und Schärfe der Komposition zutage treten. Das Klavierquintett von Hummel ist ein Seelendrama, das ausweglos und atemlos einem gespenstischen, fast perkussiven Schluss-Unisono entgegenstürmt.

In exakt derselben Besetzung erklingt nach der Pause Schuberts „Forellenquintett“ A-Dur opus posth. D 667, eines der bekanntesten und beliebtesten Stücke der gesamten Kammermusik-Literatur. Warum das so ist? Es könnte – was ein eher trivialer Grund wäre – an dem einprägsamen Titel liegen. Oder an der anmutigen Liedmelodie, die dem Stück seinen Namen verliehen hat. Oder an der Kunst des großen Hochromantikers, so unvergleichlich originelle Variationen über ein einprägsames Thema zu schreiben. Selbst im überreichen Schaffen Schuberts nimmt das aus fünf Sätzen bestehende Opus, das bis heute nichts von seinem Witz und Charme verloren hat, eine Sonderstellung ein. Die Auftragsarbeit entstand 1819, in der vielleicht glücklichsten Lebensphase des Komponisten. Da ist rein gar nichts von den späten Instrumentalwerken oder der depressiv-tiefgründigen „Winterreise“ zu spüren; das Werk atmet vielmehr pure Lebenslust und Experimentierfreude.

Das Publikum erlebt eine Forellenquintett-Aufführung, die keine Wünsche offenlässt. Die fünf Musiker arbeiten in einer duftig-hellen Wiedergabe den optimistischen Grundcharakter heraus. Das hochzufriedene Publikum genießt glasklare Stimmführungen, ein herrliches Widerspiel der hohen und tiefen Streicher, reizvolle musikalische Gespräche zwischen dem virtuosen Klavierpart und den nicht minder anspruchsvollen Streicherstimmen, einen farbigen Tuttiklang und frische Tempi.

Das Juwel der romantischen Epoche erfährt in der Variationskunst Schuberts im vierten Satz seinen Höhepunkt. Für die Zuhörenden ist es ein genussreiches Privileg, diese grundpositive Musik vom erweiterten Eliot-Quartett so meisterlich ausgeführt erleben zu dürfen. Herzlicher Beifall wird mit einer Zugabe belohnt, bei der die „launige Forelle“ weitere Runden schwimmen darf.

(Mühlacker Tagblatt Online vom 11.06.2025, Text und Foto: Dr. Dietmar Bastian)