14.06.2023
Die neue Saison der Klassikreihe „Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche ist erfolgreich gestartet. Das Kammerorchester „Camerata Bohemica Prag“ und der Solist Alban Beikircher überzeugen mit ausgereiften Interpretationen und hoher Virtuosität.. (Mühlacker Tagblatt)
Mühlacker-Lienzingen. Strahlender Sonnenschein draußen und als Pendant, nicht weniger glänzend, füllte strahlender Streicherklang die Frauenkirche. Die erste Matinee der Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ bescherte den vielen Musikfreunden in der nahezu voll besetzen Kirche einen brillanten Auftakt. Auf dem Programm standen Werke von Mozart, Vivaldi und Tartini. Nach der Pause folgte dann mit Antonin Dvořák ein Sprung in die Romantik.
Aus Prag angereist war das Kammerorchester „Camerata Bohemica Prag“ mit seinem isländischen Dirigenten Gudni A. Emilsson. In seiner Zusammenarbeit mit vielen namhaften Orchestern hat Emilsson sich auf internationaler Bühne ein Renommee erarbeitet, das auch am Pult der Frauenkirche überzeugte. Mit dabei war der Violinist Alban Beikircher, den seine bisherigen Konzertreisen durch fast alle Länder Europas, in den nahen und fernen Osten geführt haben – und nun auch nach Lienzingen.
1772 komponierte Mozart sein Divertimento F-Dur, KV 138. Er war erst kürzlich von einer längeren Italienreise nach Salzburg zurückgekehrt, und Streicherpassagen in italienischer Manier hielt er nun in weitgespannten Melodienbögen fest. Nach dem lebhaften ersten Allegro wird dies besonders deutlich im fast gesanglich anmutendem Mittelsatz Andante. Feinfühlig interpretierte dies das Orchester, taktweise war vielleicht auch ein Hauch von Wehmut zu ahnen, ehe der dritte Satz „Presto“ mit tänzerischer Ausgelassenheit aufwartete. Ein zauberhafter Auftakt, der die Erwartungen an die weiteren Darbietungen wachsen ließ.
Nun war Beikircher als Solist in Vivaldis Violinkonzert e-moll, RV 277, mit dem Titel „Il Favorito“ zu hören. Es heißt, dies sei das Lieblingskonzert von Kaiser Karl VI. gewesen. Was durchaus nachvollziehbar war, als die ersten berauschenden virtuosen Geigensoli den Kirchenraum füllten. Sensibel vom Orchester begleitet, oft ohne Bässe, hatte der Komponist alle Facetten der Violine transparent dargestellt bis hinauf in höchste Lagen – in träumenden Melodienbögen im Andante, in fast sakral klingenden Wiederholungen des Themas im Wechsel mit der Viola oder dann im aufreizenden Tanzrhythmus im Schlusssatz Allegro.
Hatte Vivaldi schon einige Anforderungen an den Solisten gestellt, so trieb es Tartini mit seiner „Teufelstrillersonate in g-moll“ wahrlich auf die Spitze mit den schier endlosen Trillern und wilden Ausbrüchen, komplizierten Figuren und Verzierungen im dritten Satz Allegro. Fast zwangsweise hatte Tartini dabei neue kompositorische Elemente entwickelt. In der Literatur ist zu lesen, dass er eines Nachts träumte, er habe seine Geige dem Teufel zum Spiel überlassen, und was der dann Phänomenales und bis dahin nie Gehörtes auf den vier Saiten produziert habe, wollte der Komponist unbedingt vollständig in Noten fassen und sei daran fast verzweifelt. Jahrelang habe er darum gerungen, wie unter den Trillern gleichzeitig noch eine Melodie gespielt werden könne – bis heute eine Passage, die von Geigern das Äußerste an Hingabe und Fingerfertigkeit verlangt.
Alban Beikircher stellte sich mit all seinem Können dieser Herausforderung. Atemlos schienen die Zuhörer diesem furiosen Wirken zu folgen, staunend, was alles mit lockerem Handgelenk und schnellen Fingern und Verständnis für die Intentionen des Komponisten möglich war.
Nach diesen Höhenflügen tat eine Pause gut, um wieder Boden unter den Füßen zu spüren. Und Dvořáks Streichsextett A-Dur opus 48 in der Bearbeitung für Kammerorchester schien genau der richtige Seelenbalsam zu sein, um aufgewühlte Emotionen zu glätten. Lebhaft, anklingend an böhmische Volksweisen, dann aber auch zu traurigen, ja schwermütig anmutenden Klangfolgen wechselnd, berührte dann doch die gefühlvolle Interpretation der Musiker unter der bis zum letzten Takt souveränen Leitung ihres Dirigenten erneut emotional. Doch das scherzhafte Finale des vierten Satzes setzte einen beglückenden Schlusspunkt unter diese insgesamt wunderbare sonntägliche Musikstunde.
Vorbildlich still hatten auch die jüngsten Zuhörerinnen den Darbietungen gelauscht: Schwestern im Alter von fünf, sechs und acht Jahren. Sie waren mit ihren Eltern aus Maulbronn gekommen. In ihrer Familie sei Hausmusik fest verankert, erzählte die Mutter. „Der intime Rahmen der Frauenkirche schien uns geeignet, unsere Kinder mit öffentlichen Konzerten vertraut zu machen“, sagte sie. Seit einem Jahr spielt die achtjährige Tochter Geige. Stolz zeigte sie eine Widmung von Alban Beikircher auf der gerade erworbenen CD. „Viel Freude mit der Geige“, wünschte er dem Mädchen. Beim nicht enden wollenden Schlussapplaus klatschten alle kräftig mit.
(Mühlacker Tagblatt vom 14.06.2023, Text und Foto: Eva Filitz)