Faszinierende musikalische Dialoge

22.06.2022

Das SAROS-Ensemble gibt ein begeistert aufgenommenes Konzert in der Reihe des „Musikalischen Sommers“. (Mühlacker Tagblatt)

Die Musikerinnen überzeugen mit technischer Klasse und Spielfreude. Foto: Bastian 
Die Musikerinnen überzeugen mit technischer Klasse und Spielfreude. Foto: Bastian

Mühlacker-Lienzingen. Ein heiterer, sonniger Sonntagmorgen, zwitschernde Vögel und ein Wochenende mit zahlreichen Veranstaltungen, Festen, Märkten, verlockenden Freibädern und Badeseen, so war die Ausgangslage für einen weiteren Höhepunkt beim Musikalischen Sommer in der Lienzinger Frauenkirche.

Die etwa 80 Besucherinnen und Besucher, die sich für ein Konzert mit Judith von der Goltz und Rebecca Raimondi (Barockviolinen), Mariona Mateu Carles (Violone) und Seulki Bae (Cembalo) entschieden und in das kühle Innere der Frauenkirche gefunden hatten, sollten nicht enttäuscht werden. Das SAROS-Ensemble bot musikalischen Hörgenuss und anregende Unterhaltung auf sehr hohem Niveau. Der zentrale Gedanke der knapp zweistündigen Konzertveranstaltung war jener des Zwiegesprächs, des Dialogs – und zwar auf gleichzeitig mehreren Ebenen. Unter dem Titel „Lebendiges Barock im Dialog“ spielten die vier hochtalentierten Musikerinnen Werke teilweise unbekannter Komponistinnen und Komponisten aus der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts, nämlich von Elisabeth Jacquet de la Guèrre, Johann Gottlieb Graun und Isabella Leonarda. Die Musik jener Zeit sucht strukturell – ähnlich wie viele Spielarten des Jazz – immer den Dialog, beim Gegenüber von Tutti und Soli, von Bass und Diskant, von laut und leise und im motivisch-thematischen Austausch zwischen den Concertino-Solostimmen. Neben rein musikalischen konnte man unschwer weitere Ebenen dieses Dialoggedankens ausmachen: in der Gegenüberstellung von Musik und Sprache, von Ausführenden und dem Publikum, der Musik und dem atmosphärisch so vielsagenden Kirchenraum oder dem Gegenüber der Geschlechter.

Sicher nicht zufällig hatten die Instrumentalistinnen, die sich an der Musikhochschule Frankfurt am Main kennengelernt und zu einem Ensemble zusammengeschlossen haben, neben Werken männlicher Komponisten auch solche weiblicher Tonkünstlerinnen ins Programm aufgenommen – die Sonata in B-Dur der französischen Cembalistin und Komponistin Elisabeth Jacquet de la Guèrre und der italienischen Nonne und Musikerin Isabella Leonarda.

Auf einer weiteren Ebene verfolgten die vier Künstlerinnen von der Goltz, Raimondi, Carles und Bae die Idee, jüngere und ältere musikalische Epochen mit barocker Literatur ins Gespräch zu bringen: im „Pezzo Fantasioso per due instrumenti con basso ad libitum“ des 1995 verstorbenen koreanischen Komponisten Isang Yun, der frühklassischen Triosonate c-moll des Bach-Sohnes Carl Philipp Emanuel und den „Folias“ des italienischen Renaissance-Meisters Andrea Falconieri, einem musikalischen Spaß über ein weit verbreitetes melodisch-harmonisches Satzmodell, das seinen Ursprung in einem portugiesischen Tanz und viele weitere Komponisten, unter anderen Vivaldi und Corelli, inspiriert hat. Humorige und launige Zitate in französischer, italienischer, deutscher und koreanischer Sprache dienten als Überleitungen, zur Auflockerung und dem Dialog zwischen Sprachklang und klingender Musik.

Den vier spiel- und entdeckungsfreudigen jungen Musikerinnen des SAROS-Ensembles, die selbst den größten Spaß an ihrem Tun zu haben schienen, steht mit größter Wahrscheinlichkeit eine glänzende Karriere bevor. Sie spielten hochvirtuos, wirkten erstaunlich routiniert und stilsicher. Mal agierten die drei Streicherinnen nuancenreich mit barocken Konvexbögen, mal klangstark mit modernen Konkavbögen.
Die Streicherinnen hatten in der koreanischen Cembalistin Seulki Bae, die auf einem Merzdorf-Instrument aus dem Jahr 1985 spielte, einen selbstbewussten und technisch hochversierten Gegenpart. Die größte Überraschung der Matinee war vielleicht das „Pezzo Fantasioso“ des Deutsch-Koreaners Yun. In einem melancholisch-meditativen Austausch zwischen hohen Flageolett-Reibetönen und der sonoren sechssaitigen Bund-Violone schien die Zeit stillzustehen, was gewissermaßen zu einem Dialog verschiedener Zeitebenen führte. SAROS bezeichnet eine lange Reihe von Sonnen- und Mondfinsternissen und ist inzwischen ein Name in der aktuellen Musikszene geworden, den man sich merken sollte.

(Mühlacker Tagblatt vom 06.07.2022, Text u. Foto: Dr. Dietmar Bastian)