Vielfalt und musikalische Klasse in Blech

28.07.2020

Das „Mannheim Brass Quintett“ beeindruckt bei seinem Auftritt in der Frauenkirche in Lienzingen mit einem breiten Spektrum und mit Interpretationen von höchster Güte. Mitglieder des vor 30 Jahren gegründeten Ensembles gelten als Meister auf ihren Instrumenten. (Mühlacker Tagblatt)

Hochgenuss: das „Mannheim Brass Quintett“ bei seinem Gastspiel im Rahmen der Reihe „Musikalischer Sommer“. Foto: Fotomoment
Hochgenuss: das „Mannheim Brass Quintett“ bei seinem Gastspiel im Rahmen der Reihe „Musikalischer Sommer“. Foto: Fotomoment

Mühlacker-Lienzingen. Hochkarätige Blechbläser haben das Konzert in der Reihe „Musikalischer Sommer“ am vergangenen Wochenende in der Lienzinger Frauenkirche gestaltet. Das vor 30 Jahren gegründete „Mannheim Brass Quintett“ präsentierte den Besuchern einen Querschnitt aus seinem breiten Repertoire, das Musik aus drei Jahrhunderten umfasst.

Doch nicht nur der Zeitraum, in denen die zum Vortrag gebrachten Kompositionen entstanden sind, sondern auch die Vielfalt der Stilrichtungen erstaunten. Das reichte vom geweihten römisch-katholischen Priester, der als Komponist des Barocks in die Musikgeschichte eingegangen ist und dazu noch Violinist und Theaterintendant war, bis zum Jazz-Musiker heutiger Tage. Die Ausführenden waren aktuelle und frühere Solisten aus Opernorchester in Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart, von denen einige inzwischen Professuren an Musikhochschulen bekleiden.

Moderiert wurde die rund eineinhalbstündige Veranstaltung von Mathias Gromer, der auch als Arrangeur für das Ensemble tätig ist. Seit 1995 ist er Solo-Posaunist des Bayreuther Festspielorchesters, seit drei Jahren Professor an der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf. In Lienzingen brillierte er jetzt nicht nur mit gekonntem Spiel auf seinem eigentlichen Instrument, er spielte auch Tenorhorn. Die Trompeten und Flügelhörner waren durch Klaus Bräker, dem Gründungsmitglied des „Mannheim Brass Quintett“, vertreten, der einst erster Solo-Trompeter im Orchester des Nationaltheaters Mannheim war und jetzt Professor an der Hochschule für Musik in Detmold ist, sowie durch Wolfram Lauel, erster Solo-Trompeter der Badischen Staatskapelle Karlsruhe, der die Trompetenklasse an der Universität Koblenz-Landau unterrichtet. Das Horn spielte Reimer Kühn, seit 1992 Solo-Hornist des Staatsorchesters Stuttgart, die Tuba Stefan Heimann, seit 1999 Mitglied desselben Orchesters und seit fünf Jahren Professor an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater Mannheim.

Den Auftakt bildete das Konzert für zwei Trompeten und Streicher in C-Dur RV 537 von Antonio Vivaldi, dem Priester und Komponisten, der zwischen 1678 und 1741 gelebt hat, eines der wenigen Solowerke des frühen 18. Jahrhunderts mit Blechbläsern und dazu das einzige dieser Art von Antonio Vivaldi. Es folgte eine Komposition von Johann Sebastian Bach, die man allerdings in der angegebenen Art als Concerto g-Moll BWV 1041 im Werkverzeichnis nicht findet. Vielmehr ist unter dieser Nummer ein Violinkonzert a-Moll aufgeführt, das dann für das Cembalo in g-Moll transponiert wurde und unter BWV 1058 zu finden ist. Dessen ungeachtet gefiel die jetzt vorgestellte Version in jeder Beziehung. Und auch mit dem danach zu Gehör gebrachten Werk von Wolfgang Amadeus Mozart hat es eine besondere Bewandtnis. Das Hornquintett Es-Dur KV 407 – entstanden wohl 1782 für den befreundeten und oft auch verspotteten Joseph Leutgeb, der Mitglied der Salzburger Hofkapelle war, dann aber Käsehändler in Wien wurde – ist ursprünglich eine Komposition für Horn, Violine, zwei Bratschen und Violoncello, wurde jetzt aber ausschließlich von Blechbläsern überzeugend als Rondo Allegro KV 407 präsentiert.

Es folgte „Reflective Mood“ des 96-jährigen Jazz-Musikers Sammy Nestico von 1924 in einer Fassung für Solo-Posaune und Brass-Quartett. Dann war der argentinische Bandoneon-Spieler und Komponist Astor Piazzolla (1921 bis 1992) an der Reihe, der Begründer des Tango Nuevo, einer Weiterentwicklung des Tango Argentino. Aus seinem Werk wurde vom „Mannheim Brass Quintett“ das Stück „Milonga del Angel“ aus dem Jahr 1965 in einer Fassung für Solotuba und Brassquintett vorgestellt.

Der zweite Teil, nach einer „Pause zum Durchlüften“, gehörte ausschließlich Leonard Bernstein und seinem 1957 im Winter Garden Theatre in New York uraufgeführten Musical „West Side Story“. Und da hörte man sie dann alle, angefangen vom Prolog und Tonys „Something’s coming“ sowie seinem „Maria“-Song über „Tonight“, dem Liebesduett Tony/Maria, das von Anita und den Mädchen der Sharks gesungenen „America“ sowie dem von Tony und Maria beschworenen „One hand, one heart“ bis hin zu dem von den Mädchen der Sharks vorgetragenen „I feel pretty“ und dem eine Versöhnung zwischen den Jets und den Sharks andeutenden „Somewhere“, die bekannten Melodien der modernen „Romeo und Julia“-Version, alle exzellent interpretiert vom „Mannheim Brass Quintett“ in der Frauenkirche Lienzingen.

(Mühlacker Tagblatt vom 28.07.2020, Text: Dieter Schnabel, Foto: Fotomoment)