Matinee mit Bach und mehr

16.07.2020

Sueddeutsche Kammersinfonie und Solisten brillieren beim Konzert in der Frauenkirche. (Mühlacker Tagblatt)

„Musikalischer Sommer“ in der Frauenkirche mit Ursula Schoch (re.). Foto: Fotomoment
„Musikalischer Sommer“ in der Frauenkirche mit Ursula Schoch (re.). Foto: Fotomoment

Mühlacker-Lienzingen. Bei dem Konzert am vergangenen Sonntag im Rahmen der Reihe „Musikalischer Sommer“, das am gewohnten Schauplatz in der Frauenkirche in Lienzingen unter den besonderen Vorzeichen der Corona-Auflagen stand, könnte man fast von einer Johann-Sebastian-Bach-Matinee sprechen – hätten nicht auch eine Komposition von Anton Bruckner und, als Zugabe, ein Werk von Louis Spohr auf dem Programm gestanden.

Bestritten wurde die, einschließlich einer Pause, rund eineinhalbstündige Veranstaltung unter der Leitung von Peter Wallinger von der von ihm vor 36 Jahren gegründeten „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ und drei Solisten. Als erstes Werk von Johann Sebastian Bach hörten die Besucher das am Köthener Hof entstandene Violinkonzert E-Dur (BWV 1042), von dem auch eine in D-Dur stehende Cembalo-Fassung (BWV 1054), ebenfalls mit Streicher- und Basso-Continuo-Begleitung, als Bearbeitung vorliegt. Den Kopfsatz dieses Konzerts hat der Komponist dreiteilig, als Dacapo, angelegt, wobei der Anfangsteil abschließend wörtlich wiederholt wird. Bereits in diesem Allegro-Teil brillierte die in Sachsenheim aufgewachsene, gebürtige Ludwigsburgerin Ursula Schoch, die nach dem Studium an der Kölner Musikhochschule ihre international gefeierte Solistenkarriere auf unzählige Konzertpodien in Europa, Asien und den USA geführt hat. Doch auch die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ und der Cembalist Ricardo Magnus trugen zum erfolgreichen Einstieg bei.

Ohne Cembalo erklang dann die Ausnahme im Programm, das Adagio Ges-Dur aus dem Streichquintett F-Dur für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello von Anton Bruckner. Diese den neun Symphonien und seinen geistlichen Werken, die ihn berühmt machten, ebenbürtige Komposition hat der Österreicher zwischen Dezember 1878 und Juli 1879 geschrieben und Herzog Max Emanuel von Bayern gewidmet. 1881 wurde die gesamte Arbeit in Wien uraufgeführt, von der in der Frauenkirche der langsame Satz zu hören war. Feierlich getragen, nachdenklich stimmend, fast etwas schwermütig, dann lebhafter werdend und schließlich beinahe im Tiefsinn versinkend, wurde dieses „geistige und klangliche Zentrum“ des Quintetts dieses wichtigen Komponisten und Organisten des 19. Jahrhunderts interpretiert.

Danach stand der aus Argentinien stammende Cembalist und Dirigent Ricardo Magnus im Mittelpunkt des Interesses. Das Mitglied des „Ensembles Klangschmelze“ hatte sich das wohl zwischen 1730 und 1733 entstandene Cembalokonzert f-Moll (BWV 1056) ausgesucht, bei dem es sich wie bei sämtlichen Konzerten für ein Cembalo um kein „Original“ handelt. Vielmehr sind es Eigenbearbeitungen, wobei in diesem Fall wohl ein verschollenes Violinkonzert in g-Moll die Grundlage war. Adäquat den Intentionen des Komponisten folgend und doch auch eine eigene Note setzend, gestalteten Magnus und die „sueddeutsche kammersinfonie bietigheim“ die drei Sätze dieses Cembalokonzerts.

Nach der Pause – in Corona-Zeiten zum Durchlüften des Raumes – wurde das Konzert für zwei Violinen d-Moll (BWV 1043) zum Vortrag gebracht. Dabei konnte man bei diesem in Köthen entstandenen sogenannten Doppelkonzert, das Johann Sebastian Bach wohl 1736 zu dem heute nur noch selten zu hörenden Konzert e-Moll für zwei Cembali, Streicher und Continuo (BWV 1062) umarbeitete, gleich zwei exzellente Geiger bewundern. Zum einen die bereits erwähnte Ursula Schoch und zum anderen den 42-Jährigen, eine Stradivarius von 1713 spielenden Niederländer Tjeerd Top, der als Solist mit verschiedenen Orchestern in drei Erdteilen auftrat. Im Vivace stellten beide Solisten einprägsam ihre eigenen Themen vor, mit absoluter Gleichberechtigung beider Stimmen. Angeführt von der zweiten Violine markierte das Largo einen abgeklärten Kanon der zwei Solo-Violinen. Dramatisch, im Kontrast dazu erklang das Allegro der drei meisterhaft gespielten Sätze.

Als Zugabe offerierten Ursula Schoch, seit der Saison 2000/01 Konzertmeisterin des Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, und Tjeerd Top, seit 2005 stellvertretender Konzertmeister des 1888 gegründeten weltberühmten Sinfonieorchesters, eine Komposition von Louis Spohr, einem der bedeutendsten Vertreter der deutschen Romantik im Sinn von Franz Schubert und Felix Mendelssohn Bartholdy. Und stets war Peter Wallinger ein einfühlsamer, aber die Kompositionen ebenso ausdrucksvoll zum Klingen bringender Dirigent.

(Mühlacker Tagblatt vom 16.07.2020, Text: Dieter Schnabel, Foto: Fotomoment)