Diesmal steht der Sohn im Mittelpunkt

30.07.2019

Musikalischer Sommer: Werke von Carl Philipp Emanuel und Johann Sebastian Bach erklingen in der Lienzinger Frauenkirche (Mühlacker Tagblatt)

Das Publikum fordert am Ende eines packenden Konzerts eine Zugabe vom Ensemble „Klangschmelze“ Freiburg. Foto: Fotomoment
Das Publikum fordert am Ende eines packenden Konzerts eine Zugabe vom Ensemble „Klangschmelze“ Freiburg. Foto: Fotomoment

„Der große Bach“ lautete der Titel des jüngsten Konzerts in der Reihe „Musikalischer Sommer“ in der Frauenkirche Lienzingen, bei dem das Ensemble „Klangschmelze“ Freiburg das Publikum in seinen Bann zog.

Mühlacker-Lienzingen. Gemeint war mit dem großen Bach nicht Johann Sebastian Bach, sondern dessen zweiter überlebender Sohn Carl Philipp Emanuel Bach, geboren 1714 in Weimar, gestorben 1788 in Hamburg. Der auch der Berliner oder Hamburger Bach Genannte war zu seiner Zeit bekannter und berühmter als sein Vater. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts genoss dieser Komponist aus der Übergangszeit vom Barock zur Frühklassik uneingeschränkte Anerkennung als Lehrer und Komponist von Werken für Tasteninstrumente, die den Kern seines kompositorischen Schaffens ausmachen.

Aufgeführt wurden in der Matinee in der Lienzinger Frauenkirche vier Werke von Carl Philipp Emanuel Bach und eines von Johann Sebastian Bach. Vorgestellt wurden sie von dem Ensemble „Klangschmelze“ aus Freiburg. Das Trio besteht aus
Leonard Schelb, der in Freiburg und Frankfurt Blockflöte sowie in Basel Traversflöte studierte und seit vorigem Jahr Professor für Traversflöte an der Musikhochschule Köln ist, aber auch noch in Frankfurt und Düsseldorf lehrt, Swantje Hoffmann, die seit vielen Jahren Konzertmeisterin des Mainzer Bachorchesters von Ralf Otto ist, sowie dem aus Argentinien stammenden Cembalisten und Dirigenten Ricardo Magnus.

Zum Auftakt präsentierte das Trio die Triosonate G-Dur Wq. 150 von Carl Philipp Emanuel Bach, wobei Leonard Schelb Traversflöte, Swantje Hoffmann Violine, und Ricardo Magnus auf dem Hammerklavier spielten. In den drei Sätzen Allegro, Adagio, Allegro verspielt, locker, bedächtig, ruhig, aber auch nachdenklich stimmend, kam schon das zum Klingen, was die Musik dieses Komponisten ausmacht, nämlich „zerrissene Melodien und ungewöhnliche Sprünge, Harmonien und Wendungen, die aus der Barocktradition heraustreten“. Dabei sind bei ihm, der als ein Hauptvertreter des empfindsamen Stils in der Musik gilt, Parallelen zur literarischen Empfindsamkeit, etwa von Klopstock, Herder und dem jungen Goethe, auszumachen. Das zweite Werk, das in diesem Konzert vorgestellt wurde, war das Duett e-Moll Wq. 140 für Traversflöte und Violine, dessen drei Sätze Andante, Allegro und Allegretto die zwei bereits genannten Instrumentalisten virtuos, nuancenreich und mit Bravour zum Vortrag brachten.

Dann war der wirklich „große Bach“ an der Reihe: Johann Sebastian Bach mit der Triosonate aus dem „Musikalischen Opfer“ BWV 1079. Am 7. und 8. Mai 1747 wurde Johann Sebastian Bach am Hof von Friedrich II. von Preußen in Potsdam empfangen, wo Carl Philipp Emanuel Bach Cembalist war. Bei dieser Gelegenheit stellte Friedrich der Große dem Vater eine Improvisationsaufgabe, zu der er das „thema regium“ vorgab, über das Johann Sebastian Bach aus dem Stegreif eine dreistimmige Fuge ausführte. Daraus entstand dann das „Musikalische Opfer“ in kunstvollen Kanons, Ricercaren und der Triosonate, mit den vier Sätzen Largo, Allegro, Andante und Allegro.

Wenn auch beim Vortrag dieser Triosonate, deren motivische Verknüpfung mit dem gesamten „Opfer“-Zyklus nicht verständlich wird, so ist sie doch – besonders bei dem meisterhaften Spiel des Ensembles „Klangschmelze“ Freiburg – in ihrer fülligen, zum Nachdenken anregenden, zuweilen bedächtigen, in die Tiefe gehenden, dann wieder beschwingten und heiteren Art ein Beispiel der meisterhaften, vielschichtigen Kompositionskunst von Johann Sebastian Bach.

Sensibel interpretierte Ricardo Magnus auf dem Hammerklavier die Fantasie fis-Moll Wq. 67 für Fortepiano von Carl Philipp Emanuel Bach und wurde dabei dem Titel „C.P.E. Bachs Empfindungen“ in jeder Beziehung gerecht. Als letztes Werk stand das Quartett D-Dur Wq. 94 für Fortepiano, Flöte und Viola von Carl Philipp Emanuel Bach mit den Sätzen Allegretto, Adagio und Allegro di molto auf dem Programm. Dabei griff Swantje Hoffmann zur Bratsche und erwies sich auch dabei als eine Meisterin dieses Instruments. Als Zugabe erklang der Mittelsatz des Quartetts G-Dur Wq. 95 von Carl Philipp Emanuel Bach, über den Mozart sagte: „Er ist der Vater, wir sind die Bubn. Wer von uns was Rechtes kann, hats von ihm gelernt“.

(Mühlacker Tagblatt vom 30.07.2019, Text: Dieter Schnabel, Foto: Fotomoment)