Jenseits des Klangrepertoires

14.07.2021

Die Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim spielt in der Lienzinger Frauenkirche. (Ludwigsburger Kreiszeitung)

In Aktion: Die SKB bei der „Sommerlichen Serenade“. Foto: Theresa Mammel 
In Aktion: Die SKB bei der „Sommerlichen Serenade“. Foto: Theresa Mammel

LIENZINGEN. Auch unter Pandemiebedingungen lässt Peter Wallinger nicht locker. Die Advents-, Neujahrs- und Frühjahrskonzerte hatte der Maulbronner Dirigent noch als Videoaufzeichnungen produziert und kostenfrei ins Netz gestellt, die traditionelle „Sommerliche Serenade“ seiner Konzertreihe „Musikalischer Sommer“ in der Lienzinger Frauenkirche ist für seine Süddeutsche Kammersinfonie Bietigheim (SKB) nun der erste Auftritt vor Publikum seit langer Zeit. Einmal am Samstagabend, einmal am Sonntagvormittag gespielt, jeweils ausverkauft vor 110 Besuchern, erklingt in einem flirrenden, sommerlich leichten Programmbogen sogar eine Uraufführung: Mit „L’Oiseau bleu“ für Harfe und Streicher (op. 89) kommt ein neues Werk des britisch- französisch-israelischen Komponisten Nimrod Borenstein erstmals zu Gehör. Gewidmet der Harfenistin Anne-Sophie Bertrand, sollte das höchst filigrane Stück für Soloharfe und Streichorchester ursprünglich im vergangenen Jahr in Cardiff uraufgeführt werden. Nachdem dies pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, ging die Soloharfenistin des hr-Symphonieorchesters Frankfurt mit der Idee, die Weltpremiere mit den Streichern der SKB zu realisieren, auf Wallinger zu, mit dem sie eine langjährige Zusammenarbeit verbindet. Die Vertrautheit zahlt sich aus: In de Überlagerung verschiedener Rhythmen angelegt, birgt „L’Oiseau bleu“ einige Herausforderungen für die Musiker, reiht unterschiedliche Bilder vom Walzer über Märchenhaftes bis zu dramatischen Episoden – durchaus in einem neoimpressionistischen Sinn –, geht in manchem aber über seinen klassizistischen Ansatz hinaus und führt die Harfe punktuell auch in Bereiche jenseits des im Instrument angelegten Klangrepertoires der Akkordbrechungen, Glissandi und Triller – Echowirkungen sind da nur eine Möglichkeit.

Geschmeidig und elegant, zuweilen aber auch fulminant und teilweise glashart greift Bertrand in die Saiten, frappierend schließlich die nahezu akrobatische Klimax der metrisch zunehmend vertrackteren Komposition. Verdient der begeisterte Applaus des dankbaren, auf Abstand gesetzten Publikums – für die fabelhafte Solistin, die grandios aufmerksame und präzise SKB und wohl auch für den nicht anwesenden Komponisten.

Mit Joaquin Turinas „La Oración del Torero“ (Das Gebet des Toreros, 1925 entstanden) und Claude Debussys „Danse sacrée et Danse profane“ (1904) hat Wallinger diese Sternstunde mit einem passenden Rahmen versehen, für den der Impressionismus den roten Faden bildet. In Pablo Casals’ „El cant dels Ocells“ (Der Gesang der Vögel) ist Chihiro Saito eine wunderbare Solistin. Versöhnlich und hoffnungsfroh der Ausklang mit Edward Elgars „Serenade e-moll“ (op. 20), Wallingers Körper mal pulsierendes Zentrum, mal feinste Nuancen abmessend, aber stets mit jeder Faser Musik.

INFO: Eine Videoaufzeichnung der „Sommerlichen Serenade“ wird in wenigen Tagen unter
www.sueddeutsche-kammersinfonie.de und www.muehlacker-klassik.de/muehlacker-concerto abrufbar sein.
 
(Ludwigsburger Kreiszeitung vom 14.07.2021, Text: Harry Schmidt, Foto: Mammel)