06.11.2024
Die Klassikreihe muss das Auftaktkonzert vom Uhlandbau in die Kelter Ötisheim verlegen – und davon profitieren Musiker und Publikum gleichermaßen. (Vaihinger Kreiszeitung)
Ötisheim/Mühlacker. Die Reihe „Mühlacker Concerto“ feiert ihr 20-jähriges Bestehen. Vor zwei Jahrzehnten hat Peter Wallinger mit den Konzerten den damals brachliegenden Mühlacker Uhlandbau neu belebt. Ausgerechnet für das 20. Konzert musste nun wegen laufender Bauarbeiten auf eine andere Bühne gewechselt werden. Das Auftaktkonzert für die Wintersaison fand in der Historischen Kelter in Ötisheim statt.
Überraschend erwies sich diese Wahl keinesfalls als Notlösung. Denn gerade das anheimelnde, eine gewisse Intimität vermittelnde Ambiente der Kelter war genau der passende Rahmen für die „Schubertiade im Herbst", wie das Konzert titelte. Viele der emotionalen Höhepunkte der Darbietungen hätten sich im vergleichsweise nüchternen Uhlandbau verloren, wären vermutlich wegen der größeren Entfernungen verpufft, ohne wahrgenommen zu werden. Nicht zu vergessen die hervorragende Akustik der Kelter, die Mikrofone überflüssig machte.
Nicht nur räumlich waren Lilian Heere und Annette Köhler (erste und zweite Violine) Dmitry Hahalin (Viola), Nicola Zesch (Violoncello) und Simon Wallinger (Kontrabass) den Zuhörern nahe. Diesen fünf jungen Musikerinnen und Musikern gelang es, durch ihr brillantes und hochsensibles Spiel auch die Herzen zu öffnen. Heere und Köhler sind feste Mitglieder des Staatsorchesters Stuttgart. Hahalin ist Bratschist des international renommierten Frankfurter Eliot Quartetts. Zesch spielt als Solo-Cellistin im Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim, dem auch Wallinger als Solo-Kontrabassist angehört.
Alle Fünf haben eine höchstprofessionelle Ausbildung durchlaufen, in bedeutenden, auch internationalen Wettbewerben Preise erspielt. Oft wird gefragt, wie es dem Senior Peter Wallinger immer wieder gelingt, hochrangige Musikerinnen und Musiker für Auftritte in der Provinz zu gewinnen. Es ist der gute Ruf als Gestalter der klassischen Musikkultur in der Region, der dem „Macher" dank seiner jahrzehntelangen Erfahrungen vorauseilt.
Ein kammermusikalisches Wunderwerk
Jeweils als Duo, besetzt mit Violoncello und Kontrabass oder Violine und Violoncello, stellten sich zunächst Lilian Heere, Nicola Zesch und Simon Wallinger vor und interpretierten kleine musikalische Kostbarkeiten von François Couperin (1668-1733), Maurice Ravel (1875-1937) und Gioachino Rossini (1792-1868) in schon beeindrucken der Virtuosität. Sie waren der wegbereitende Vorspann für den konzertanten Höhepunkt, der nach einer kleinen Pause folgte: das Streichquintett C-Dur von Franz Schubert (1797-1828).
Zum ersten Mal spielten die Fünf nun als Quintett zusammen. Zwei gemeinsame Proben genügten ihnen, alle Höhen und Tiefen des wohl schönsten Werkes frühromantischer Kammermusik zu hinterfragen, die Intentionen des Komponisten zu verstehen und verständnisinnig auf höchsten musikalisch-künstlerischem Niveau vorzutragen. Überzeugend gelang es dem Ensemble, sich als harmonische Einheit zusammenzufinden. Denn nur so konnten sie diesem kammermusikalischen Wunderwerk gerecht werden und die Fülle schöpferischer Einfälle, die aufrüttelnde Harmonik mit scharfen Kontrasten, die Stärke emotionaler Gegensätze und seelische Befindlichkeiten aller Höhen und Tiefen glaubhaft darbieten.
1828 war der Komponist neue Wege in der Kammermusik gegangen. Er war der Erste, der ein Quintett mit einem zweiten Cellobesetzte, und damit begann, die Kammermusik in mehr sinfonische Nähe zu drängen. „Um dem Quintett ein breiteres klangliches Fundament zu bieten, wird heute gelegentlich das etwas tiefer liegende zweite Cello von einem Kontrabass gespielt und zwar in der gleichen Stimmlage wie das Cello nicht in der gewohnten tieferen Lage. Für den Kontrabassisten bedeutet dies natürlich eine extreme Herausforderung", war dazu von Peter Wallinger zu erfahren.
Wenig Heiterkeit trotz C-Dur
Schubert hoffte lebenslang auf eine glückliche Erfüllung seiner Wünsche. Doch letztlich bestimmte immer wieder das fatale Erkennen einer miserablen Wirklichkeit sein Dasein. Dies brachte er auch in diesem Streicherquintett zum Ausdruck, das trotz der Tonart C-Dur wenig Heiterkeit zeigt. Sehnsucht, Schmerz, Trauer sind überwiegend die Elemente, die er in klangprächtige Gemälde oder erschütternde, tief bewegende Verzweiflung und eruptive Gefühlswallungen umsetzte. Und diese Umbrüche in ihren Tiefen den Zuhörern eindringlich nachvollziehbar offenzulegen, gelang den Musizierenden auf der Kelterbühne nachhaltig zwischen brachialem Fortissimo-Aufbegehren und letztem Pianissimo-Hauch, exakt den Intentionen Schuberts folgen.
(Vaihinger Kreiszeitung vom 06.11.2024, Text und Foto: Eva Filitz)