Unterwegs in musikalischen Lustgärten

12.11.2019

„Mühlacker Concerto“: Das Ensemble „Caladrius“ aus München überzeugt bei einer Matinee in der Historischen Kelter in Ötisheim. (Mühlacker Tagblatt)

Mariona Mateu Carles (v.li.), Georg Staudacher, Sophia Schambeck und Jacopo Sabina entführen ins 17. und 18. Jahrhundert. Foto: Fotomoment
Mariona Mateu Carles (v.li.), Georg Staudacher, Sophia Schambeck und Jacopo Sabina entführen ins 17. und 18. Jahrhundert. Foto: Fotomoment

Die Wintersaison 2019/2020 von „Mühlacker Concerto“ ist mit einem hochkarätigen Konzert in der Historischen Kelter in Ötisheim eröffnet worden.

Ötisheim. „Gärten sind Orte für die Landwirtschaft, aber eben auch Orte der Kunst, Spiritualität und Lebenslust“, sagte Flötistin Sophia Schambeck in ihrer Begrüßung. Das Konzert des vierköpfigen Ensembles „Caladrius“ ließ in zwei kurzweiligen Stunden keine Zweifel zu, dass es am Sonntagvormittag um die zweite Kategorie gehen sollte, um Lustgärten des Barock also, wo das innere Auge Springbrunnen und Wasserspiele erblickt, prächtige Blumenanlagen, Fasanerien und Orangerien, herumstolzierende Pfaue, und wo die Hofgesellschaft lustwandelt und an lauen Sommerabenden rauschende Feste mit Feuerwerk feiert.

Die jungen Musiker aus Italien, Katalonien und Deutschland, die an der Münchener Musikhochschule zusammenfanden, haben allein in diesem Jahr mehrere hochkarätige Preise eingeheimst. „Große Spielfreude, gepaart mit einer unglaublichen Musikalität und einer Fülle an Klangfarben“, so hatte die Jury ihre Vergabe des Preises beim internationalen Händel-Wettbewerb in Göttingen begründet – völlig zu Recht. Die mehr als einhundert Zuhörer erlebten im Spiel von Sophia Schambeck (Blockflöten), Jacopo Sabina (Theorbe, Laute und Barockgitarre), Mariona Mateu Carles (Violone) und Georg Staudacher (Cembalo) eine überraschende Leichtigkeit, ein bis zur Perfektion ausgereiftes musikalisches Können und einen ausgeprägten Sinn für Eleganz und Klang.

Das Programm begann mit einer viersätzigen Suite aus den „Königlichen Konzerten“ von François Couperin, Hofkomponist Ludwigs des XIV. Bereits das einleitende Prélude ließ aufhorchen. Welch biegsamer und fein abgestimmter Zusammenklang der vier Instrumente! Welch schöner und stilsicherer Dialog zwischen der Bass-Violone und der Sopranblockflöte! Man fühlte sich nach Versailles versetzt, jenem prächtigen Hof des französischen Sonnenkönigs, an dem Weltpolitik geschrieben wurde und der damals die Regenten der europäischen Nachbarstaaten mit Neid und Missgunst erfüllte. Ganz Europa eiferte diesem bis dato beispiellosen Glanz nach, und so übertrafen sich die Höfe in der weiteren Geschichte gegenseitig auch mit Hofmusikern und „lustvollen“ Konzert-, Opern- und Ballettveranstaltungen.

Der gedankliche Streifzug durch die Lustgärten des 17. und 18. Jahrhunderts führte weiter nach Venedig, in den Palazzo Malipiero, wo die „junge, frische und übermütige“ Musik des früh verstorbenen Dario Castello gespielt wurde, wie die Flötistin bemerkte. In der „Ottava sonata a doi“ kam es zu einem wunderbaren Stelldichein der Altflöte und der in barocker Bogenhaltung gespielten sechssaitigen Bund-Violone. Über den sächsischen Hof in Leipzig mit einer für die Musik Johann Sebastian Bachs ungewohnten Besetzung ging es zurück nach Versailles zu Delikatessen von Jean Baptiste Bousset, Jacques Hotteterre und Anne Danican Philodor, in denen die Melodie der Nachtigall und der sanfte Flügelschlag des Schmetterlings nachempfunden sind. Weiter in die „Gärten von Aranjuez“ in Madrid mit klangmalerischer Musik José Herrando Yagos, der auf wundersame Weise auf den Instrumenten allerlei Tierstimmen erklingen lässt. Dazu die grellen Klänge der Sopranino-Blockflöte – die helle Sonne Spaniens?

Nach der Pause spielte „Caladrius“ eine polyphon geführte Canzona des Venezianers Girolamo Frescobaldi. Es folgte eine leichtfüßige Corrente des Neapolitaners Andrea Falconieri, von Sophia Schambeck auf der Sopranblockflöte sehr musikalisch und frei von jeder Kraftanstrengung gespielt. Zurück in Versailles gab es wohl für die meisten Zuhörer eine Neuentdeckung – die Komponistin Elisabeth Jacquet de la Guerre mit einer unbekannten Suite a-moll für Cembalo, bei der sich Georg Staudacher exponieren konnte. Als Schlussstück erklang in den „Royal Kew Gardens“ von London Simon Eccles lustiges „Bellamira“, ein Stück, in dem es um einen seltenen Käfer geht. Es war am Sonntag ein vergnüglicher und inspirierender Gang durch Europas Lustgärten mit ohrenschmeichelnder höfischer Musik und inneren Bildern, die die Musiker mit geschickten Zitaten hervorgerufen hatten. Den Käfer „Bellamira“ gab es als Zugabe.

(Mühlacker Tagblatt vom 12.11.2019,  Text: Dr. Dietmar Bastian, Foto:  Fotomoment)