Mit Virtuosität und Spielwitz

13.11.2018

Das Quartett „Gitanes Blondes“ begeistert in der Historischen Kelter in Ötisheim. (Mühlacker Tagblatt)

Die vier Ausnahmemusiker von „Gitanes Blondes“ verzaubern ihre Zuhörer. Foto: Fotomoment
Die vier Ausnahmemusiker von „Gitanes Blondes“ verzaubern ihre Zuhörer. Foto: Fotomoment

Einen musikalischen Knaller landeten die vier Musiker aus München im hervorragend gelungenen Auftaktkonzert der Klassikreihe „MühlackerConcerto“.

Ötisheim. Zum „Fahrenden Volk“ gehören sie nicht, wenngleich sie sich „Gitanes Blondes“ (zu Deutsch: „Blonde Zigeuner“) nennen. Doch genau wie jene sind sie ausgebuffte, raffinierte Könner an ihren Instrumenten. Wer sich am Sonntagnachmittag aufgemacht und die Auftaktveranstaltung der Wintersaison der Konzertreihe „Mühlacker Concerto“ im Ortskern von Ötisheim besucht hatte, wurde reich belohnt. Die vier Ausnahmemusiker versprühen Spielfreude pur, erzeugen geradezu sinnlich-magische Momente und verzaubern so die Zuhörerinnen und Zuhörer mit ihrem breitgefächerten Repertoire.

Mal kommt die Musik melancholisch-nachdenklich daher, mal verblüffen atemlos-wilde Tonjagden und mal staunt man über die pfiffig-spitzbübische Leichtigkeit. Die „Blonden Zigeuner“, das sind der Kroate Mario Korunic (Violine), der Russe Konstantin Ischenko (Akkordeon) und die beiden Deutschen Christoph Peters (Gitarre) und Simon Ackermann (Kontrabass). Diese vier Ausnahmemusiker, die gänzlich ohne Noten auskommen und denen wenige kleine Winke für ein höchst inspiriertes und mit schlafwandlerischer Sicherheit ausgeführtes Zusammenspiel genügen, beziehen auch – singend, schnippend, klatschend – das Publikum ein, was in der fast voll besetzten wunderschönen historischen Kelter besonders gut ankam.

Wer den Klarinettisten Giora Feidman, den „King of Klezmer“, kennt und jemals live erlebt hat, kennt vermutlich auch die „Blonden Zigeuner“, haben die Musiker doch in dieser Formation seit 2012 regelmäßig zusammen musiziert und weltweit schier unzählige, oft Open-Air-, Konzerte veranstaltet – so auch in unserem Raum schon mehrfach bei den Maulbronner Klosterkonzerten oder in Freudental. Das Repertoire des Instrumentalquartetts beschränkt sich dabei keineswegs auf den jüdischen Klezmer. Es ist im besten Sinne Weltmusik, Musik also, die musikalische Elemente unterschiedlichster Kulturen und Traditionen aufgreift, produktiv zueinander in Beziehung setzt und damit zu einer neuen Klangsprache findet. Weltmusik ist ein Beitrag in einer zunehmend globaler strukturierten Welt – hin zu einer interkulturellen Annäherung und Weiterformung. Spätestens seit Peter Gabriels weltumspannenden Mammutfestivals spricht man weniger von „Crossover“ und dafür mehr von Weltmusik. Wo genau die musikalischen Quellen der „Gitanes Blondes“ liegen, ist gar nicht so leicht auszumachen. Im aktuellen Programm „Ce soir…“ (Heute Abend), eingespielt auf einer CD, liegen Klezmerklänge in der Luft, Klassisches, aber auch musikalische Reminiszenzen an den Balkan, an Russland oder Irland.

In der kurzweilig-witzigen Programmfolge vermischen sich nicht nur Klanggebilde der Kulturen, sondern auch die früher streng auseinandergehaltenen Bereiche der U- und E-Musik, der Unterhaltungsmusik und der ernsthaften Kunst. Beeindruckend, wie perfekt und doch freihändig improvisiert sich die Stückefolge und die einzelnen Arrangements der Musiker ausnehmen, wie logisch und doch immer wieder überraschend.

„Mal hoffnungsvoll melancholisch, mal überschäumend temperamentvoll und bei aller Virtuosität immer mit feinem Gespür für die Reinheit der Musik“, so beschreibt sich „Gitanes Blondes“ selbst auf der aussagekräftigen eigenen Homepage, auf der man Hörproben abspielen und sich über die fünf bislang erschienenen CDs und die künftig anstehenden Konzerttermine informieren kann. Auch auf YouTube wird man schnell fündig und kann sich an das wunderbare Konzert in Ötisheim erinnern oder auf ein anderes einstimmen.

„Gitanes Blondes“, 1999 gegründet und seither im In- und Ausland auf zahlreichen Festivals unterwegs, ist eine Formation, die der ambitionierte Musikliebhaber gehört und erlebt haben muss.

(Mühlacker Tagblatt vom  13.11.2018, Text: Dr. Dietmar Bastian, Foto:  Fotomoment)