Umjubelter Höhepunkt der Saison

12.05.2025

Die Frühjahrskonzerte der Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim begeistern mit einem originellen Programm, das die Handschrift des Orchestergründers und -leiters Peter Wallinger trägt. Den Höhepunkt markierte Beethovens „Tripelkonzert“ mit dem Trio Vivente. (Ludwigsburger Kreiszeitung)

Distinkte Handschrift: Peter Wallinger am Pult der SKB. Foto: Holm Wolschendorf 
Distinkte Handschrift: Peter Wallinger am Pult der SKB. Foto: Holm Wolschendorf

Bietigheim-Bissingen. Präziser Puls, taufrische Transparenz, geschmeidige Geläufigkeit, eleganter, vitaler, wo nötig auch geschliffener Ensembleklang: Solche Tugenden gelten nunmehr gut vier Dekaden als Markenzeichen der 1984 von Peter Wallinger aus der Taufe gehobenen Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB), wobei dem Orchester selbst ein mehr oder weniger kontinuierlicher Verjüngungsprozess immanent ist. Demgegenüber steht der Ensemblegründer und -leiter als einzige Konstante mit inspirierten Interpretationen für originelle, überaus durchdachte, vielschichtig durchwirkte Spielpläne, die er in jeweils maßgeschneiderter, handverlesener Besetzung der SKB auf die Bühnen der Region bringt.

Neugier, Lebendigkeit und ein offenes Ohr hat Wallinger sich über die vier Jahrzehnte erhalten können, mit aktuellen Strömungen, Entwicklungen und Tendenzen ist er nach wie vor bestens orientiert, auch dank seines Sohnes Simon, der in den vergangenen Jahren bereits des Öfteren am Pult der SKB zu erleben war, beim diesjährigen Frühjahrskonzert jedoch an einem der beiden Kontrabässe zu hören ist.

40 Jahre jung präsentiert sich die SKB also am Samstagabend zum Ausklang der Jubiläumssaison mit einem am Vortag im Uhlandbau Mühlacker gegebenen Konzert, das nochmals in Gänze die distinkte Handschrift des Programmgestalters Peter Wallinger trägt. Edvard Griegs Orchesterfassung von „Hochzeitstag auf Troldhaugen“, der letzten Klavierminiatur aus den 1896 veröffentlichen „Lyrischen Stücken“ (Op.65/6) des norwegischen Komponisten, markiert den Auftakt, Bordunquinten der tiefen Streicher setzen den festlich-feierlichen Grundton, folkloristisch gefärbte Holzbläser jubilieren, markant musiziert Konzertmeisterin Maryana Osipova ihre warmtönenden Kantilenen. Bereits hier begeistert Peter Wallinger mit konziser Gestaltung und so schwung- wie maßvoller Lesart. In den Marsch-und Tanzrhythmen werden Ankunft und Gratulationen der hochgestimmten Gäste geradezu plastisch anschaulich.

Von mitreißender, explosiver Wirkung

Tatsächlich ein Klanggemälde ist Alexander Borodins 1880 entstandene „Steppenskizze aus Mittelasien“, in der der russische Komponist ein ausformuliertes Bildprogramm umsetzt, in dem flächige Diskantliegetöne der Violinen die „endlose Weite der Steppe“, Pizzicati aller anderen Streicher „Getrappel von Pferden und Kamelen“ darstellen sollen. Einem hier bislang fremden „friedlichen russischen Lied“ von Klarinette und Horn steht der „eigentümliche Klang einer morgenländischen Weise“ des Englischhorns gegenüber. Das begegnet einem in Antonín Dvoráks 1879 uraufgeführter „Tschechischer Suite“ (Op.39) ebenso wieder wie Griegs Bordunquinten, immer homogener klingt die SKB im Verlauf der fünf Sätze, im finalen „Furiant“ gelingt eine nachgerade festspielorchesterwürdige Deutung. Hier ist Peter Wallinger ganz in seinem böhmisch-slawischen Element, Elan und Drive dieses Prestos sind von mitreißender, explosiver Wirkung.

Mit Beethoven schließt sich nach der Pause ein Kreis, der vor recht genau einem Jahr mit dessen Violinkonzert D-Dur (Op. 61) seinen Anfang nahm. Das 1807 in Druck gegebene „Tripelkonzert“ C-Dur (Op.56) für Violine, Violoncello, Klavier und Orchester ist nicht allzu oft zu hören, Anne Katharina Schreiber (Violine), Kristin von der Goltz (Cello) und Jutta Ernst (Klavier), die seit 1992 als Trio Vivente firmieren, nehmen sich der solistischen Herausforderungen des Werks gewissenhaft an und gestalten einen umjubelten Höhe-und Schlusspunkt des Frühjahrskonzerts zum Abschluss der Jubiläumsspielzeit. Gleichwohl gewinnt man in den drei Sätzen den Eindruck unterschiedlich gestimmter Temperamente:
Wo von der Goltz, von deren Cello häufig die Impulse ausgehen, einen expressiven, zuweilen auch rustikalen (wenn auch nicht immer intonationsreinen) Zugriff pflegt die in Stuttgart aufgewachsene Schreiber, wie ihre Streicherkollegin langjähriges Mitglied im Freiburger Barockorchester, einen schlanken Silberstiftton. Dazwischen moderierend hat die ebenmäßige, differenzierte Anschlagskultur von Jutta Ernst großen Anteil am Gelingen der Wiedergabe. Mit dem zugebenen „Menuetto“ aus Beethovens drittem Klaviertrio bedankt sich das Trio Vivente für den langanhaltenden Beifall im Kronensaal.

(Ludwigsburger Kreiszeitung vom 12.05.2025, Autor: Harry Schmidt, Foto: Holm Wolschendorf)