Helle Freude in dunklen Zeiten

08.12.2020

Das Online-Adventskonzert der sueddeutschen kammersinfonie bietigheim. (Ludwigsburger Kreiszeitung)

Hochklassige Solistin: Magdalena Müllerperth. Foto: Theresa Mammel
Hochklassige Solistin: Magdalena Müllerperth. Foto: Theresa Mammel

Bietigheim-Bissingen. Auch die Verlagerung des Kulturlebens ins Internet hat zwei Seiten: Zwar haben die Erfahrungen der vergangenen Monate gezeigt, dass das Online-Erlebnis das Livekonzert nicht ersetzen kann. Dennoch ist es – durch die Pandemie beschleunigt und in gewisser Analogie dazu exponentiell wachsend – ein zunehmend bedeutsamer Teil des Kulturlebens geworden, der uns auch, wenn Corona schon wieder Geschichte geworden ist, weiterhin begleiten dürfte. Nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung: Schließlich ermöglicht virtuelle Präsenz, Kultur unabhängig von Ort und Zeit zu erfahren, was zu einer Vergrößerung der Reichweite führen kann. Zudem unterstreicht der dafür nötige Aufwand auch den der Kultur zugemessenen Stellenwert.

Insofern höchsterfreulich und verdienstvoll, dass auch die Süddeutschen Kammersinfonie Bietigheim (SKB) sich in den Reigen der Online-Darbietungen einreiht. Jeder kann nun in der Vorweihnachtszeit selbst bestimmen, wann und wo er das traditionelle Adventskonzert der SKB genießen will. Und um einen hochkarätigen Musikgenuss handelt es sich allemal: Einmal mehr hat Peter Wallinger für sein 1984 gegründetes, über die Jahrzehnte jedoch stets verjüngtes Ensemble ein stimmig durchdachtes Programm entworfen. Magdalena Müllerperth, im saphirblauen Hosenanzug, verneigt sich vor dem imaginären Publikum im Kronensaal, bevor sie als Solistin in Wolfgang Amadeus Mozarts A-Dur-Klavierkonzert (KV 414) glänzt.

Andächtig wandert ihr Blick immer wieder nach oben, als sie nach dem Orchestervorspiel im Allegro die Kantilenen der empfindsamen, sich an Gesanglichkeit gegenseitig übertrumpfenden Hauptthemen zelebriert. Ganz in sich gekehrt gestaltet die 28-jährige Pianistin das elegische Andante, einer Hommage Mozarts an seinen Mentor Johann Christian Bach, der Anfang 1782, ein Dreivierteljahr vor der Niederschrift dieses außergewöhnlich melodiösen Klavierkonzerts, das heute zu seinen beliebtesten zählt, verstorben war – mit den nach Moll modulierten Passagen des Mittelteils gestaltet Müllerperth einen der berührendsten Momente dieses bewegenden Adventskonzerts. Umso ausgelassener dann wieder die vergnügten Trillerverzierungen im heiteren Rondofinale – auch das Tänzerische kommt ihr spürbar entgegen.

Die Innigkeit, mit der die in Pforzheim geborene Pianistin Mozarts 12. Klavierkonzert präsentiert, kommt nicht von ungefähr: Im Alter von zehn Jahren hatte sie mit diesem Werk ihren ersten öffentlichen Auftritt – die Kadenzen der Ecksätze hat sie seinerzeit selbst geschrieben. Den Beifall spenden die Musikerinnen und Musiker der SKB, mit Mozarts „Zwölf Variationen in C-Dur über das Lied ‚Ah, vous dirai-je, Maman‘“ (KV 265) nimmt Müllerperth, die eine langjährige Zusammenarbeit mit Wallinger verbindet, mit ihrer Zugabe direkt auf den Anlass Bezug: Hierzulande singt man „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ auf diese Melodie.

Auch Wallingers Interpretation von Franz Schuberts fünfter Sinfonie (D 485) mit einer hochmotivierten und hellwachen SKB unter Konzertmeisterin Sachiko Kobayashi besticht durch sorgfältige Gestaltung, die Liebe zum Detail mit dem Blick fürs große Ganze vereint; exquisit die Traversflötenpassagen von Verena Guthy-Homolka in der 1816 entstandenen B-Dur-Sinfonie des Mozart-Bewunderers. Von Wallinger unter Konzertbedingungen, ohne Wiederholungen, realisiert und von Theresa Mammel mit drei Kameras dokumentiert, bereitet diese Aufzeichnung jedem Freund der Wiener Klassik eine helle Freude in dunklen Tagen.

Internet: www.sueddeutsche-kammersinfonie.de

(Ludwigsburger Kreiszeitung vom 08.12.20, Autor: Harry Schmidt, Foto: Theresa Mammel)